VeloSolex-Tour zum Atlantik

1000 km VeloSolex in 3 Tagen




Endphase der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, leergefegte Straßen in Frankreich und perfektes Wetter - für eine VeloSolex-Tour quer durch das Land, dessen Mannschaft sich bis ins Finale gekämpft hatte.

Eine Woche zuvor hatte ich mich entschlossen meinen Urlaubsort am Atlantik mit dem VeloSolex zu erreichen.
Ich hatte mein Vorhaben in Berniques französischem Solex-Forum angekündigt und viele Rückmeldungen bekommen. Ich hatte 5 Adressen von Leuten aus dem französischen Forum, die mir Hilfe bei technischen Problemen, Unterkunft und streckenweise Begleitung angeboten haben. Zu meiner Schande habe keines der Angebote wahrgenommen und mich als "lonesome rider" geoutet. Ich wollte mich weder auf eine bestimmte Strecke festlegen, noch einen Zeitplan einhalten müssen. Mein Vorhaben, die 1000km in 5 Tagen zu bewältigen, wurde teils mit Unverständnis aufgenommen, denn auch die Mehrzahl der französischen Solexisten zelebriert das Langsamfahren.

Mit Bestürzung wurde meine Absicht quittiert, die Strecke einfach nur in der kürzestmöglichen Zeit zu bewältigen. Auch meine Entgegnung, dass es mir gerade um diese Herausforderung und nicht einen Urlaub per VeloSolex ginge, fand wenig Zustimmung. Urlaub wollte ich, wie schon so oft, am Meer machen und mich von den befürchteten Strapazen der Fahrt erholen. Darüber hinaus hatte ich die Sicherheit mich zur Not unterwegs von meiner Lebensgefährtin aufsammeln zu lassen, die eine Woche später mit dem Auto nachkommen wollte.

Ich habe zwei Solex-Packtaschen an den Gepäckträger gehängt und einen wasserdichten Sack mit Rollverschluss auf den Gepäckträger gespannt. In die eine Satteltasche kamen die Ersatzkanister, ein 500ml-Fläschchen Zweitakteröl mit Dosierhilfe, meine Werkzeugtasche für unterwegs und ein ausgesuchtes Sortiment von Ersatzteilen. In die andere Tasche packte ich meinen Regenponcho, eine 0,5l Wasserflasche und 6 gefaltete Kartenblätter, die ich aus einem alten Michelin-Atlas rausgerissen und in in Klarsichthüllen gesteckt hatte. In den wasserdichten Sack packte ich ein paar Klamotten, eine dünne Isomatte und einen Schlafsack.


Benzingemisch hatte ich in einem 1l und einem 0,5l Behälter dabei und diese auch wirklich gebraucht, denn das Tankstellennetz in der französischen Provinz ist erschreckend löcherig. Wenn ich dann mal eine Tankstelle gefunden hatte, die nicht gerade außer Betrieb war, habe ich alle Vorräte aufgefüllt und aus einer Dosierflasche mit Öl angemischt.

Die Kartenausschnitte, die ich aus dem Michelin rausgerissen hatte, erwiesen sich als Relikte aus dem letzten Jahrhundert und als ich zwischenzeitlich ein Blatt verloren hatte, war das auch kein größerer Schaden. Um aber den befahrenen Nationalstraßen besser ausweichen zu können, sollte man eine aktuelle Karte mitnehmen. So stand ich manchmal unvorhergesehen vor dem Schild "Kraftfahrstraße" oder fand wegen neuer Umgehungsstraßen schlecht aus einem größeren Ort wieder heraus.

Mein Schnitt lag um die 30kmh und es gab keinerlei Probleme. Ich hatte 16 kg Gepäck dabei und der Klamottensack diente mir bei Gegenwind immer mal wieder als Sitzbank. Fotos habe ich mit Selbstauslöser irgendwo auf dem Weg zwischen Saarbrücken und Soulac gemacht.

An meinem VeloSolex habe ich vorher nichts präpariert und die Wartungsarbeiten wären eigentlich auch fällig gewesen (but never touch a running system!). Ich habe mein Alltags-3800er genommen, das trotz der erstaunlichen Kilometerleistung in den letzten 25 Jahren, einfach nur gut läuft, obwohl am Motor, außer den üblichen Wartungsarbeiten, nie was gemacht wurde.
Zusätzlich habe ich nur einen digitalen Tacho und einen Rückspiegel montiert ... und nachdem ich ein Drittel der Strecke absolviert hatte, habe ich meinen im Vorjahr mitgebrachten Wimpel von Soulac drangebunden, um immer mein Ziel vor Augen zu haben.



Ich bin die Strecke gefahren, die ich im französischen Forum angegeben hatte. Allerdings war ich von 5 statt nur 3 Tagesetappen ausgegangen.

Meinen Freund Jörg hatte ich gebeten kurze Lageberichte, die ich an ihn per SMS sendete, ins französische Solex-Forum und deutsche VeloSolexForum zu stellen:

09.07. SAARBRÜCKEN - BRIENNE-LE-CHÂTEAU: 230 KM.

10.07. BRIENNE-LE-CHÂTEAU - SELLES-S-CHER: 350 KM
MOTEUR: 3800 TYPE MBK FRANCAIS DES ANNÉES 70, NI MODIFIÉ NI RESTAURÉ, MAIS BIEN USÉ ;-)
HOMME: 75 KG, PRESQUE 50 ANS, BON ÉTAT
GÉNÉRAL, MAIS UN PEU FOU ;-)

11.07. SELLES-S-CHER - ILE D'OLÉRON: 350 KM.
TROP FACILE:
PETIT DÉTOUR POUR AMÉLIORER MA VITESSE ET COMPLÉTER LA MILLE! DEMAIN SOULAC-SUR-MER ;-)


12.07. GRÜSSE AUS SOULAC-SUR MER! 1000KM VELOSOLEX IN DREIEINHALB TAGEN. KEINERLEI WEHWEHCHEN, KEINE PANNE. DAFÜR MUSS MAN WOHL ERST 50 WERDEN.

Die Tour war alles andere als strapaziös und ich bin nie sonst so entpannt am Urlaubsort angekommen. Vielleicht lag es ja daran, dass ich mir den Stress der Quartiersuche erspart habe und drei wunderbar erholsame Nächte unter freiem Himmel zugebracht habe. So habe ich meine Fahrtkosten extrem niedrig halten können und bin mit weniger als 30 Euros bis an den Atlantik gekommen.


Die Reaktion der Franzosen auf meine tägliche Fahrleistung reichte von Bewunderung bis Entsetzten, doch überwiegend sorgte man sich um mein Hinterteil. Zeitweise stand ich wohl unter Dopingverdacht. Aber ich versichere, dass ich mich nur von Cola und marokkanischem Kebap ernährt habe (Nein, stimmt nicht, am letzten Abend meiner Tour, bereits am Meer, habe ich moules et frites geschlemmt).

Aber nochmal zur physischen Belastung:
Klar haben viele Menschen Rückenprobleme und dann sollte man sich sowas auch nicht antun. Aber der Sitzkomfort ist besser, als man denkt. Ich hatte schon länger den Sitz in unterster Position montiert. Diese Sitzhöhe hat sich während meiner Tour bewährt, weil ich so, mit der Gepäckrolle auf dem Gepäckträger, eine "Sitzbank" hatte und tief genug saß, um dem Gegenwind zu trotzen. (Für eine Alpentour wäre natürlich eine hohe Sitzposition angesagt, um das Mittreten zu erleichtern).
Auch auf meiner Tour musste ich von Zeit zu Zeit in die Pedale treten und hatte das Gefühl, dass die Bewegung gut tut. Ich konnte alle Steigungen locker bewältigen, wenn ich dabei die Geschwindigkeit nicht unter 20 km/h abfallen ließ (trotz der Warnung aus dem französischen Forum, dass meine Strecke alles andere als platt ist).
Nackenproblemen habe ich dadurch erfolgreich vorgebeugt, dass ich mir ausgiebig die Landschaft zu beiden Seiten meines Weges angeschaut habe und den Blick in den Rückspiegel immer mit dem vorschriftsmäßigen Schulterblick abgeschlossen habe :-)